Die Geschichte des Sundheimer Huhns
(von Günter Copi)
Vieles wurde bisher über die Entstehung des Sundheimerhuhnes berichtet. Leider beginnen alle Berichte auf der Basis eines im Jahre 1914 in der Geflügel–Börse von Georg Wesch verfassten Berichtes. Dieser hatte schon damals die Aufklärung der Entstehung dieses seit Urzeiten im badischen Land gezüchteten Masthuhnschlages vom Badischen Staat gefordert. Seit 1978 sammle ich alles Wissenswerte über die Sundheimer und habe mittlerweile, untermauert durch Recherchen, im Entstehungsgebiet dieses schönen Huhnes einige interessante und aussagefähige Ergebnisse erzielt. Diese möchte ich hiermit der Öffentlichkeit vorstellen.
Schriftlich fixiert ist, dass die Römer vor über 2000 Jahren nachdem sie englischen Boden betraten dort verschiedene ihnen bis dahin unbekannte Hühnerschläge vorfanden. Dazu gehören die Vorläufer der noch heute gezüchteten Altenglischen Kämpfer und der Dorking. Die damaligen Kampfhühner Britanniens sollen nach der Beschreibung von Wright (englischer Schriftsteller um 1870) besser als die der Römer gewesen sein. Sie wurden sogar von Cäsars Soldaten und seinen Söldnern als Kampfhühner mit in die Heimat genommen. Woher kamen diese Kämpfer?
Viele Hundert Jahre vor der römischen Zeit haben die Kelten den mitteleuropäischen Raum bewohnt. Nordöstlich reichte ihr Einfluss bis an die Gebiete der Germanen und Slawen. Die südliche Grenze verlief von Spanien am Nordrand der Alpen vorbei. Der weitere Verlauf folgte beidseitig der Donau bis zum schwarzen Meer, den griechischen Raum umklammernd über den Bosporus, sogar bis nach Persien (heute Türkei) hinein. Friedlicher Handel sowie mehrere kriegerische Auseinandersetzungen führten zu ständigen Kontakten zwischen den Kelten und Griechen. Besondere Berührungspunkte waren die griechischen Mittelmeer- und Schwarzmeer-Kolonien. Auch das Eindringen der Kelten in das Kernland der Griechen von 325 bis 279 v.Chr. hatte dazu geführt, dass die Verbreitung der Hühner aus dem persischen und griechischen Lebensraum durch die Kelten von 600 bis 200 v.Chr. quer durch Europa bis nach England und Irland erfolgte. Diese Tiere wurden an allen wichtigen Stellen wie z.B. an den Flussübergängen in der Gegend von London und in Straßburg für die Verpflegung reisender Fürsten angesiedelt. Man kann also davon ausgehen, dass ähnliche Hühner der Kelten, wie sie die Römer in England antrafen auch im Straßburger Bereich, in Hallstatt, La Te´ne und den anderen Zentren der Kelten vorzufinden waren.
79 n.Chr. wurden zur Kultivierung des heutigen Straßburger Raumes ein Teil der dort 130 Jahre vorher vertriebenen Kelten angesiedelt. Sie hatten die Aufgabe das Land wieder urbar zu machen, den Straßenbau aufrecht zu erhalten und die Verpflegung der römischen Söldner zu übernehmen. Spätestens seit dieser Zeit wurden hier wie auch im gesamten römischen Reich Hühner zum menschlichen Verzehr gemästet.
Nachdem die Römer von den Germanen wieder in ihre Heimat geschickt wurden, besiedelten um 260 Alamannen diesen Raum. Sie gründeten im 4. Jhrt. die Stadt Straßburg. 496 wurden sie von den zum Christentum übergetretenen Franken besiegt. Die Lebensgewohnheiten der beiden germanischen Stämme vermischten sich unter dem Einfluss der christlichen Lehre. Das Testament des Straßburger Bischofs Remigius aus dem Jahre 778 sprach dem Frauenkloster aus Eschau, an der Ill, neben Schweinen und Schafen, eine jährliche Zuwendung von 30 Kapaunen zu. Weitere Zeugnisse alljährlicher Lieferungen an die Obrigkeit, über Althennen im Herbst und Junghennen im Frühjahr, von jedem Haushalt im links- und rechtsrheinischen Umfeld von Straßburg, sowie die Zwangsabgabe von Kapaunen liegen ebenfalls vor.
Nach dem 30-jährigen Krieg verlor die Masthuhnzucht im Deutschen Reich ihre Bedeutung. In Frankreich, England und dem elsässisch geprägten Straßburg war es nicht so. Straßburg war mit 20.000 Einwohnern zu dieser Zeit, nach Köln, die zweitgrößte Stadt des Deutschen Reiches. Sie war eine, mit den besten Geschützen der damaligen Welt bestückte, stark bewaffnete, mächtige, neutrale, freie Deutsche Reichsstadt und galt für jeden Feind als uneinnehmbar. Schutz in den kritischen Zeiten des Krieges fanden die hörigen Bauern, die im Umland, u.a. im angrenzenden Hanauerland für die Ernährung der Stadtbewohner sorgten, hinter den Stadtmauern Straßburgs. Die freie Bevölkerung dieser Gebiete, die in der Lage war, sich die Straßburger Bürgerrechte zu erkaufen, konnte sich ebenfalls dort in Sicherheit bringen. Mit ihnen wurde das wichtigste Hab und Gut und dazu gehörten vor allem Tiere und Saatgetreide, vor dem Zugriff der Feinde geschützt. Auf diese Weise wurde sichergestellt, dass noch heute das Blut der ur- europäischen Hühner in den Sundheimerhühnern fließen darf.
Ab 1704 wurde teilweise die Zwangsabgaben von Hühnern durch Geldwerte ersetzt. Aber auf die Erzeugung schwerer Fleischhühner, mit den großen braunen Eiern, wurde nicht verzichtet. Sie hatten auf dem Markt in Straßburg und auch bei den Wirten weiterhin einen hohen Stellenwert. Das wurde durch den Einsatz schwerer, wahrscheinlich Belgischer- oder Nordfranzösischer-Kämpfer gegen Ende des 18.Jhrt. weiterhin gefördert.
Nach dem Eintreffen der schweren Asiaten aus den USA, wie Brahma und Cochin, wurden französische Zuchtregeln für eine rentable Masthuhnzucht angewendet. Dazu wurden ab 1855 Brahma und später Dorking eingekreuzt. Nach 1870 kamen die Wantzenauer - Hähne dazu. Diese wurden in dem nördlich von Straßburg liegenden Dorf La Wantzenau gezüchtet. Sie waren eine Vermischung der besten französischen Fleischhühner, den Houdans, mit dem hier bodenständigen Masthuhnschlag. Dieser wurde auf der gegenüberliegenden Rheinseite des Hanauerlandes gezüchtet und war nichts anderes als das etwas heller gezüchtete Hanauer – Masthuhn. Diese Wantzenauer waren nun feinknochiger und zeigten in ihrem schwarz-weiß-houdanscheckigen Gefieder einen übermäßig hohen Weißanteil. Der Bart war gegenüber den Houdans viel kleiner und die Haube so gut wie nicht mehr vorhanden. Durch diese Wantzenauer sollten die äußerst vitalen, robusten, die Größe der Brahma erreichenden, vierschrötigen Masthühner des Hanauerlandes, zarteres Fleisch und einen feineren Knochenaufbau erhalten. Sie wurden schon längere Zeit in Baden-Baden und den noblen Hotels des Schwarzwaldes als Straßburger-Poularden verkauft. Erhielten nun aber Konkurrenz von den mit weißem, feinfaserigem Fleisch und feinerem Knochenbau versehenen französischen Mastrassen.
Die Aufhellung der Färbung, durch diese weiß-houdanfarbigen Wantzenauer, ermöglichte im Verbund mit der über viele Jahrhunderte in Indien gefestigten, sich fast dominant durchsetzenden hellen Zeichnung der Brahma, eine mit angedeuteter Columbiazeichnung versehene, weiße Färbung des Deckgefieders. Diese war für die wirtschaftliche Verwertung und die Schaffung von sauberem Schlachtgeflügel, von großem Vorteil.
Im Jahre 1886 trennten sich die Züchter des Hanauer Masthuhnes. Etwa 20 Züchter aus Sundheim und Sand züchteten nur noch den damals als hellbrahmafarbig bezeichneten Farbenschlag. Aber ohne Beachtung der Form und sonstiger Äußerlichkeiten. Die Erhaltung der braunen Eischale blieb aber ein erklärtes Zuchtziel. Zur Sicherung dieses Sundheimer Markenproduktes wurde 1886 eine Genossenschaft unter dem Namen, „Das Sundheimer–Huhn“ gegründet. Der erste größerer Erfolg, dieser mittlerweile als Wirtschaftshuhn von der DLG und den Sonderzuchtvereinen (Vorläufer des VHGW) anerkannten hellbrahmafarbigen Sundheimer, war die Erringung einer silbernen Medaille auf der 1. Nationalen 1893 in Leipzig. Bei der Festlegung der Musterbeschreibungen des „Club deutscher Rassegeflügelzüchter und den Sonderzuchtvereinen“ im Jahre 1913 wurden auch die Sundheimerhühner berücksichtigt. Der Standard wurde dazu von unserem Sonderverein und der Preisrichtervereinigung unter starkem Einfluss der DLG ausgearbeitet.
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges war das Sundheimerhuhn ein Rassehuhn. Formlich sollte es sich den aus Masthuhnschlägen entstandenen Zwiehühnern angleichen Die Einordnung erfolgte als leicht mästbares, mittelschweres und gut legendes einfachkämmiges Zwiehuhn, mit knapp mittelhoher Stellung und befiederten Läufen, im hellbrahmafarbigen Farbenschlag. Seit dieser Zeit wird das Sundheimerhuhn mit wechselndem Erfolg in Deutschland und einigen Anrainerstaaten gezüchtet. Die Verbreitung ist aber schwankend, so dass das Sundheimerhuhn im Laufe eines Jahrhunderts aus der Rubrik: “Zu empfehlende Wirtschaftshühner“ in die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten deutschen Hühnerrassen abgerutscht ist.
Darum ist es wichtig, dass sich möglichst sehr viele Züchter dieser Rasse annehmen. Erschaffen wurde es aus den ältesten Hühnern Europas und den schweren asiatischen Rassen der Neuzeit. Es ist unbedingt als ein Denkmal deutsch - europäischer Züchterkunst einzustufen und zu erhalten. Denn es ist heute noch ein robustes, leistungsstarkes Rassehuhn. Das ist ein wichtiger Grundsatz. Denn nur so kann das uralte deutsche Nutzhuhn, welches bei seiner Entstehung von französischen Einflüssen geprägt wurde, für die Nachwelt erhalten bleiben.
Das gilt auch für die Zwerg-Sundheimer-Hühner, in denen das Blut der Großrasse fließt. Denn auch sie haben die Leistungsfähigkeit der großen Vettern und belohnen jeden Züchter im Rahmen der Möglichkeiten eines Zwerghuhnes, mit einem üppigen Eiersegen.
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Auf den Spuren unserer Gründungsväter:
Im Buch "Das Huhn von Sundheim" von Günter Copi kann man auf den Seiten 8 - 10 nachlesen:
1797 übernahm Johann Hornung die Bäckerei und die Mühle und befasste sich seitdem mit der Zucht der Vorläufer der rassischen Sundheimer.
1815 wurde sein Sohn Jalob geboren, dieser übernimmt 1840 die Bäckerei. Der zweite Sohn war Johannes Hornung.
1886 übernahm Johannes Hornung die Bäckerei.
Jakob und Johannes Hornung waren maßgeblich an der Züchtung unseres Sundheimer-Huhnes und auch maßgeblich an der Gründung unseres Sondervereins beteiligt.
Johannes Hornung